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Erste elektrische Vollbahnstrecken
Weitere Entwicklung der elektrischer Zugförderung
Die Teilnetze wachsen zusammen
Der 2. Weltkrieg und seine Folgen
Nachdem um die Jahrhundertwende die Leistungsfähigkeit der elektrischen Traktion mit Gleichspannung an physikalische Grenzen gestoßen war, wurde klar, dass die Übertragung großer Leistungen bei gleichzeitiger Überwindung großer Entfernungen nur mit Wechselspannung erfolgen konnte. Versuche mit Drehstrom erbrachten zwar den Beweis der Leistungsfähigkeit, scheiterten jedoch an den Forderungen des Eisenbahnbetriebes, insbesondere an der Problemen der mehrpoligen Fahrleitung. Versuche mit Einphasensystemen scheiterten vorerst, führten jedoch mit der Erfindung des Wendefeldparallelwiderstandes zum Durchbruch. Dadurch war die Verwendung eines Reihenschlußmotors, wie er auch bei Gleichstrombahnen verwendet wird, auch für Wechselspannung niedriger Frequenz möglich. Die AEG erprobte von 1903 bis 1906 auf eigene Rechnung die elektrische Traktion zwischen Niederschöneweide—Spindlersfeld mit 6 kV und 25 Hz. Eine weitere Versuchsstrecke war der Oberbauversuchsring bei Oranienburg, auf dem ab 1906 weitere Versuche durchgefürt wurden. Die erste mit Einphasenwechselstrom elektrifizierte Vollbahnstrecke war die Lokalbahn Murnau—Oberammergau. Die ursprünglich als Drehstrombahn geplante Strecke ging 1905 mit 5,5 kV und 15 Hz in Betrieb. Auch in Preußen setzte man auf die neue Traktionstechnik. In Hamburg wurde der Nahverkehr und der Betrieb auf der Hafenbahn Altona auf elektrischen Betrieb mit 6 bzw. 3 kV und 25 Hz umgestellt. Doch diese Betriebe waren Zeit ihres Bestehens Inselbetriebe, die nie zu einem Netz ausgebaut sondern eingestellt oder auf ein anderes System umgestellt wurden.
Diese Versuchsbetriebe förderten weitere Überlegungen zur großflächigen Anwendung der neuen Traktion. Doch vorerst war die Systemfrage ungekl&aum;hrt. Aufgrund der technischen Entwicklung u. a. in der Isolationstechnik wurde ein System mit einer Spannung 10 kV oder mehr angestrebt. Entscheident war jedoch die Frage nach der Frequenz. Einigkeit herrschte darüber, daß sie unter den in Hamburg genutzen 25 Hz und über 10 Hz liegen mußte. Gab es bei 25 Hz und darüber noch Kommutierungsprobleme, flimmerten bei 10 Hz und darunter die Kohlenfadenlampen. Es lag also auf der Hand, eine Frequenz zu wählen, die einem Drittel der Landesfrequenz entsprach. Diese lag in Mitteleuropa zwischen 40 und 50 Hz. Auch in den USA hatten sich 15 Hz bei einer Landesfrequenz von 60 Hz durchgesetzt. So ist es verständlich, weshalb die ersten Bestellungen elektrischer Ausrüstungen nach Verabschiedung des Eisenbahnanleihegesetzes am 28. Juli 1909 noch für 10 kV und 15 Hz erfolgten. Nach erfolgversprechenden Versuchen suchte man nun nach einer zur Elektrisierung, so nannte man damals die Elektrifizierung, geeigneten Strecke. Doch die Vorschläge, wie Altona—Kiel oder Cochem—Bullay scheiterten am Einspruch der Militärs. Diese befürchteten, daß im Kriegsfall der elektrische Betrieb hinderlich sei. Erst mit der Eröffnung des elektrischen Betriebes auf der Strecke Dessau - Bitterfeld in Mitteldeutschland durch die Preußisch Hessischen Staatsbahn am 18. Januar 1911 begann eine umfangreiche Entwicklung auf dem Gebiet der elektrischen Zugförderung mit 15 kV und 16 ⅔ Hz.
Aufgrund der erfolgreichen Betriebsaufnahme auf der Strecke Dessau - Bitterfeld bewilligt der preußische Landtag noch im gleichen Jahr Gelder für die Elektrisierung der schlesischen Gebirgsbahn Lauban - Königszelt einschließlich einiger Nebenstrecken mit Einphasenwechselspannung 15 kV und 16 ⅔ Hz. Auch in Bayern und Baden waren die Arbeiten zur Einführung der neuen Traktionsart im vollen Gang und 1912 bzw. 1913 führten auch diese Länder die elektrische Zugförderung ein.
Anfangs erzeugten die Generatoren noch eine Frequenz von 15 Hz. Das resultierte daraus, daß man auf dem 8. Internationalen Eisenbahnkongresses in Bern im Juni 1910 eine Empfehlung über 10 kV und 15 Hz erwartet und die Kraftwerksmaschinen entsprechend bestellt hatte. Die Oberleitungsspannung ließ sich zwar ändern, die Frequenz war jedoch von der Turbinendrehzahl abhängig und somit bei Wasserkraft- und Umformermaschinen nicht zu erhöhen. Im Kohlekraftwerk Muldenstein wurden ab 1. August 1911 Versuche mit einer Frequenz 16 ⅔ Hz durchgeführt. Aus Gewährleistungsgründen wurde die Frequenz wieder herabgesetzt.
Eisenbahnverwaltung | Eröffnungsdatum | Strecke | Spannungssystem | Kraftwerk |
---|---|---|---|---|
Preußisch Hessische Staatsbahn | 18. Januar 1911 | Dessau - Bitterfeld | 10 kV, 15 Hz | Muldenstein |
Königlich Bayerische Staatsbahn | 28. Oktober 1912 | Garmisch - Scharnitz | 15 kV, 15 Hz | Ruetz-KW. Stubaital (Österreich) |
Großherzoglich Badische Staatseisenbahn | 13. September 1913 | Wiesen- und Wehratalbahn | 15 kV, 15 Hz | Wyhlen, Umformerwerk Basel |
Die Speisung der Wiesen- und Wehratalbahn erfolgte über einem Umformer in Basel, Badischer Bahnhof. Dort wurde die vom Wasserkraftwerk Wyhlen über ein Drehstromkabel bezogene Energie von 6,8 kV und 50 Hz in 15 kV und 15 Hz umgeformt. Die beiden Strecken wurden bis zur Inbetriebnahme einer Umrichteranlage in Basel im Dezember 1936 mit einer Frequenz von 15 Hz gespeist.
Die bayerische Strecke Scharnitz - Mittenwald - Garmisch - Griesen wurde nach Inbetriebnahme des Kraftwerkes Spullersee (Österreich) im April 1922 mit einer Frequenz 16 ⅔ Hz gespeist. Erst seit dem Anfahren der Bahnstrommaschine des neuen Kraftwerkes Walchensee am 2. Dezember 1924 sind die bayerischen Strecken unabhängig von der Versorgung aus Österreich.
Bereits seit 1911 berieten die im Technischen Ausschuß des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen (VDEV) vertretenen Bahnverwaltungen auf Antrag der Österreichischen Staatsbahn die Einführung eines einheitlichen Spannungssystems für Fernbahnen. Der VDEV sprach daraufhin eine Empfehlung für Einphasenwechselspannung mit 15 kV und 16 ⅔ Hz aus. Auf dieser Basis wurde ein Übereinkommen, betreffend der Ausführung elektrischer Zugförderung fertiggestellt und bis zum 18. Januar 1913 von den Ministern Preußens, Bayerns und Badens unterzeichnet. Kurze Zeit später schlossen sich auch Österreich, Schweden, Norwegen und die Schweiz dieser Übereinkunft an.
Der preußische Landtag beschloss 1913 die Elektrisierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen mit
Einphasenwechselspannung 15 kV und 16 ⅔ Hz, wobei es zu heftigen Diskussionen mit den Beführwortern der Dampftraktion kam.
Die Dampflokindustrie erkannte rechtzeitig die Leistungsfähigkeit der neuen Traktionsart und entwickelte als positiven Nebeneffekt in dieser Zeit
sehr leistungsfähige Heißdampflokomotiven.
1914 waren auf den der schlesischen Gebirgsbahnen die Anlagen für die elektrische Zugförderung weitestgehend
fertiggestellt und man konnte eine erste Teilstrecke in Betrieb nehmen. Die zügige Fertigstellung der weiteren Strecken verhinderte der erste Weltkrieg. Während in Mitteldeutschland der Betrieb eingestellt und die Fahrleitungen zur Kupfergewinnung demontiert wurden, erfolgte abschnittsweise die Betriebsaufnahme schlesischer Teilstrecken.
Mit der Verstaatlichung der deutschen Länderbahnen im Jahre 1920 erfolgte ab 1921 neben der Wiederinbetriebnahme und Erweiterung mitteldeutscher Strecken auch die Fortführung der Elektrifizierung in Schlesien und Bayern. In den 20er Jahren entstanden so 3 größere unabhängige Netze. Die regionalen Besonderheiten dieser Netze wurden von der Reichsbahn zur Erprobung unterschiedlichster elektrische Fahrzeuge und verschiedener Anlagen der Bahnenergieversorgung genutzt.
Region | Netzcharakter | Topologie | Energieerzeugung Speisung |
Fernleitungs- spannung |
---|---|---|---|---|
Mitteldeutschland | Hauptbahnen mit Güterstrecken | Flachland | Braunkohle Unterwerke |
60 kV |
Schlesien | durchgehende Hauptbahn mit abzweigenden Nebenstrecken | Bergland | Steinkohle Unterwerke |
80 kV |
Bayern | Hauptbahnen und Vorortstrecken um München | Hügelland | Wasserkraft Unterwerke |
110 kV |
Baden | Hauptbahn mit abzweigender Hauptbahn | Hügelland | Wasserkraft Umformerstation |
6,8 kV (Kabel) |
Zu Beginn der 30er Jahre begann die Elektrifizierung von Vorortstrecken im Raum Stuttgart und der Hauptbahn Stuttgart - Ulm - Ausburg. Damit entstand das Süddeutsche Netz.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 konzentrierte sich die Reichsbahn auf die elektrische Verbindung des süd- und mitteldeutschen Netzes sowie auf den Anschluß der Reichshauptstadt an das elektrifizierte Netz. Ein Gutachten von 1934 bescheinigte Die Wirtschaftlichkeit das elektrischen Betriebes auf der Strecke München - Berlin
, wobei die Elektrifizierung von Augsburg nach Nürnberg bereits kurz vor dem Abschluß stand und 1935 quasi anläßich des 100jährigen Jubiläums der 1. deutschen Eisenbahn in Betrieb genommen wurde. Durch die Kriegsvorbereitungen wurden die weiteren Bauarbeiten jedoch erheblich verzögert. Vor Ausbruch des 2. Weltkrieges konnte nur der Abschnitt Nürnberg - Saalfeld [Saale] eröffnet werden.
In den 30er Jahren kam es zu einer Elektrifizierung der topologisch schwierigen Höllental- und Dreiseenbahn mit Einphasenwechselspannung und Industriefrequenz (20 kV und 50 Hz).
Netz | Strecke km |
Fahrleitungen km |
Fernleitungen km |
Bemerkungen des Autors |
---|---|---|---|---|
Bayerisch-Würtenbergisches Netz | 1156,37 | 3031,77 | 719,15 | Süddeutsches Netz |
Schlesisches Netz | 394,89 | 873,90 | 156,28 | |
Mitteldeutsches Netz | 314,87 | 1051,48 | 145,68 | |
Wiesentalbahn | 48,40 | 101,11 | 21,36 | Baden |
Höllentalbahn | 55,60 | 90,15 | 20 kV, 50 Hz | |
Gleichsstrombahnen | 21,91 | 27,10 | Klingenth.-Sachsenbg. Berchdesg.-Königsee |
|
Berlin (S-Bahn) | 270,14 | 667,12 | Stromschiene 800 V Gleichspannung | |
Hamburg (S-Bahn) | 35,49 | 86,90 | ||
Gesamtlänge | 2297,67 | 5929,53 | 1250,66 ? (1042,47) | Angaben nur DR! (Summenkorrektur) |
Quelle: Statistische Angaben der DR, 1937
Mit dem Beginn des 2. Weltkrieges kam es quasi zum Stopp aller Elektrifizierungsvorhaben. Es fehlte nun sowohl das Personal als auch die benötigen Materialien, besonders Kupfer. Beides wurde nun an den Fronten verheizt. Nur die Verbindung der bereits im Bau befindlichen Verbindung zwischen Saalfeld und Leipzig sowie einige Güterstrecken wurden schleppend vorgebracht. Obwohl bereits negative Erfahrungen im Fahrleitungsbau vorlagen, wurden wiederholt "Heimstoffe" eingesetzt. Diese Bemühungen blieben weitestgehend erfolglos. Lediglich die Verwendung von Speise- und Rückleitungen aus Aluminium hat sich durchgesetzt und bis heute erhalten.
Quelle: Jahresbericht der EObl 1943, Anlage 1, Slg. Verfasser. Das badische Netz ist auch im Original nicht dargestellt.
- Zerstörungen - Wiederaufbau - Demontagen -
In Folge des 2. Weltkrieges kam es zur potitischen und wirtschaftlichen Spaltung Deutschlandes und damit auch seiner Eisenbahn. Im Osten blieb auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Reichsbahn bestehen, während sich die Reichsbahn der westlichen Besatzungszonen zur Deutschen Bundesbahn zusammenschloss.