Die langen Transportwege für Kohle veranlasste die Chemin de Fer du Midi bereits Anfang des 20. Jahrhunderts über die Elektrifizierung ihrer nördlich am Fuß der Pyprenänen gelegenen Eisenbahnstrecken nachzudenken. Aufgrund der Komplexität der Oberleitungen beim Drehstromsystem entschied sich die Gesellschaft recht früh für hochgespannten einphasigen Wechselstrom. Sie legte von Beginn an und damit früher als in Deutschland die Frequenz mit einem Drittel der Landesfrequenz auf 16 ⅔ Hz bei einer Fahrleitungsspannung von 12 kV fest. Das um 1908 aufgestellte umfangreiche Elektrifizierungsprogramm sah unter Nutzung der Wasserkräfte der nördlichen Pyrenäen die Ausrüstung folgender Strecken vor:
Als erste Strecke ging 1912 die Strecke Perpignan—Villefranche-de-Conflent in Betrieb. Ähnlich wie auf der Strecke Dessau—Bitterfeld sollten auf der Strecke elektrische Ausrüstungen und die bei verschiedenen Herstellern bestellten Prototypen elektrischer Lokomotiven getestet werden. Topographisch wies die Strecke günstige Testbedingungen, da ein Abschnitt der Strecke in der Ebene, ein anderer im bergigen Gelände lag.
Im Dezember 1914 wurde der elektrische Betrieb auf den beiden Stichstrecken in die Pyrenäen Tarbes—Bagnères de Bigorre und Lourdes—Pierrefitte mit Triebwagen aufgenommen. Zwischen Tarbes und Lourdes fuhren offensichtlich nur einzelne Züge, um z.B. das Depot in Tarbes zur erreichen. Für den Güterverkehr stand nur eine Lokomotive zur Verfügung. Die für die Strecke notwendige Energie wurde im Wasserkraftwerke Soulom bei Pierrefitte mit 6 Maschinensätzen á 2600 kW erzeugt und über Fernleitungen mit einer Spannung von 60 kV zu den Unterwerken Lourdes und Tarbes übertragen. In den Unterwerken auf 12 kV transformiert, wurde die Spannung in ein nicht nachgespanntes Kettenwerk aus 100 mm² Kupferdraht und 40 mm² Stahlseil eingespeist.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Einphasenwechselstromsystem aufgrund seiner Anwendung in Deutschland politisch und militärisch kritisch betrachtet und zur Feindfrequenz
erklärt. Am 29. August 1920 ordnet die französische Regierung an, dass alle Eisenbahnen in Frankreich bei der Elektrifizierung von Strecken 1500 V Gleichspannung zu verwenden
haben. Die Chemin de Fer du Midi stellt daraufhin bis 1923 außer Perpignan—Villefranche-de-Conflent alle Strecken auf das neue System um.
Für den elektrischen Betrieb mit 12 kV 16 2/3 Hz wurden sechs Prototypen elektrischer Lokomotiven der Achsfolge 1C1 bei verschiedenen Herstellern bestellt:
Von den Lokomotiven wurden nur die E 3010, die 3201 und die 3401 übernommen, wobei sich nur die spätere E 3201, spätere SNCF-Baureihe 1C1 3900, bewährte. Die Lokomotive
stand bis 1959 auf der Strecke Perpignan—Villefranche-de-Conflent in Betrieb. Die beiden anderen Lokomotiven wurden offensichlich im Zusammenhang mit der Umstellung der Strecken
auf Gleichspannung Ende der 1920er Jahre ausgemustert.
Die E 3101 wurde auf der Strecke Dessau—Bitterfeld zwischen März und August 1911 im Rahmen von Testfahrten eingesetzt. Die bereits mit einer Nutzbremse ausgestattete Lok konnte
jedoch nur bedingt erprobt werden, da es im Mitteldeutschen Flachland keine nennenswerten Gefällestrecken gibt. Die Lokomotive wurde von der Chemin de Fer du Midi jedoch nicht
übernommen und an die AEG zurück gegeben. Über den Verbleib ist bisher nichts bekannt. Ein Einsatz in Schlesien wird vermutet.
Weiterhin wurden 30 Triebwagen mit Gepäckabteil für den Reiseverkehr bei Dyle & Bacalan, Brill, Westinghouse beschafft, denen normale Reisezugwagen beigestellt wurden. Der E 2 wurde 1920 bei einem Brand zerstört und ausgemustert. Nachdem der Anfang de 1920er Jahre die Umstellung der Midi-Strecken auf Gleichspannung begann, wurde ein Teil der Fahrzeuge auf das neue System umgebaut.