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Allgemeine Hinweise
Hinweise zur Darstellung
vorliegende BBA von   ES 1   ES 2   ES 4   ES 5   ES 6   ES 9   ES 10   ES 11   ES 12   ES 13   ES 14   ES 15   ES 16   ES 17   ES 18   ES 19   EP 202   EP 203   EP 204   EP 205   EG 511   EG 512   EG 524   EG 534   EG 708
Fazit

Betriebsbuchabschriften deutscher Elektrolokomotiven preußischer Bauart

Allgemeine Hinweise

Seit Jahren kursieren unter einigen Eisenbahnfreunden sogenannte Betriebsbuchabschriften (BBA) deutscher Lokomotiven, die immer wieder zu Diskussionen in Foren führen oder gar Eingang als Quellen in die Printmedien gefunden haben. Diese BBA sind nicht unumstritten, weisen sie doch bei näherer Betrachtung zahlreiche Ungereimtheiten und Fehler auf, die das Vorspielung falscher Tatsachen als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Über den Verfasser der BBA und seine Gründe wurde viel spekuliert, doch soll hier aus rein sachlichen Gründen nicht darauf eingegangen werden. Dem Autor dieser Seite liegen verschieden BBA deutscher Altbauelektrolokomotiven vor, die sich weniger mit technischen Details der Ellok selbst befassen, sondern mit dem Schwerpunkt auf Zeiträume von Stationierungen und Aufenthaltszeiten in Werkstätten verfasst wurden. Besonders auffallend für den weniger tief in der Materie stehenden Leser sind z.B. zahlreiche Beheimatungen von Ellok in einer Betriebswerkstatt bzw. einem Bahnbetriebswerk an einer nicht elektrifizierten oder in elektrischen Betrieb befindlichen Strecke.

Ulrich Walluhn hat sich am 28.6.2014 in einem nicht mehr existierenden Forum mit einer Darstellung zur E71 11 und 12 zu Wort gemeldet, die beim Vergleich dieser beiden Ellok mit den vorliegenden BBA neben dem Datum der Abschrift im Archiv der Rbd Halle eine eine erstaunlichedie Übereinstimmung aufweist, die sicher ganz zufällig ist. Der Text befindet sich aktuell unter http://ulrichwalluhn.forumprofi.de/index.php?topic=53.0. Anlaß genug, diese schon länger in Vorbereitung befindliche Seite zu veröffentlichen, was aber nicht Ursache ihrer Erstellung war. Eine Genehmigung zur bildlichen Wiedergabe der BBA auf dieser Seite kann, da der Autor nicht vermerkt ist oder aus verständlichen Gründen unerkannt bleiben will, nicht eingeholt werden. Deshalb werden die vorliegenden BBA von Ellok preußischer Bauart nur auszugsweise wiedergegeben und kommentiert. Sollte sich der Autor der BBA persönlich beim Betreiber dieser Seite melden, wird er auf Wunsch selbstverständlich genannt. Dem weniger mit Details vertrauten Leser soll auf dieser Seite die Möglichkeit eingeräumt werden, sich ein eigenes ein Urteil über den Wert der BBA zu bilden. Ein persönliches Fazit des Autors dieser Seite schließt die Analyse ab. Eine allgemeine Abhandlung wurde bereits vor Jahren im Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 2010/11 im Rahmen des Einsatzes von Ellok bei der ED Halle Anfang der 1920er Jahre veröffentlicht. Im Gegensatz dazu werden hier einige ausgewählte Ellok preußischer Bauartüber einen längeren Zeitraum betrachtet.

Hinweise zur Darstellung

Bitte beachten: Die sogenannten BBA sind in blauer Schrift auf weißem Grund wiedergegeben bzw. zitiert. Einige kleine Schreibfehler wie vertauschte Buchstaben wurden nicht übernommen. Drei Punkte am Anfang oder Ende der Darstellung bedeuten, daß die Chronologie zum vorherigen bzw. nachfolgenden Zitat unterbrochen wurde. Unter den Zitaten der BBA benennt jeweils ein kurzer Kommentar die Merkwürdigkeiten der BBA und erläutert die historischen Fakten.

Abschrift A.Halle 23.8.1988

Zahlreiche BBA, die insbesondere Auszüge der Stationierungsdaten enthalten, sollen im Archiv der Rbd Halle angefertigt worden sein. Weder langjährigen Nutzeren noch den Archivaren sind die dafür erforderlichen Betriebsbücher aufgefallen. Dem Autor dieser Zeilen liegen 24 BBA vom selben Tag mit jeweils einer halben bis fast vollen Schreibmaschinenseite vor. Eine erstaunliche handwerkliche Leistung, geht man davon aus, daß der Verfasser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Verstärkung durch eine gut ausgebildete Schreibfachkraft hatte und darüber hinaus noch fehlerfrei gearbeitet hat.


ES 2 (E00 02)

Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive ES 2:
##############################################

elektr.Teil:       AEG Berlin    1911/B 110
mechan.Teil:       Hanomag Hann. 1911/5837

Anlieferung:       16.01.1911
Abnahme:           12.03.1911   WAa Halle a.d.S.
Probefahrt:        kein Eintrag
Gen-Urkunde:       16.03.1911   Halle auf Lok Nummer Halle 10502

Der in der BBA genannte Anlieferungstermin ist zwar theoretisch denkbar, irritiert aber trotzdem. Stand die Ellok wirklich fast zwei Monate herum, während draußen Ellok wie die badische A1 die Fachwelt in Erstaunen versetzten? Wenn die Lok bereits in Bitterfeld gewesen wäre, dann hätte man sie als preußische ES mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anläßlich der Eröffnung am 18.01.1911 mit ins Bild geschoben. Aber als erste preußische ES wurde die ES 1 am 25.01.1911 gefeiert und abgelichtet. Nach Schreiben 25 H. II. 3952 der KED Halle an das MdöA vom 31.03.1911 (GStAPKv, I. HA Rep. 93 E, Nr. 6848) ist WSL 10202 am 11.03.1911 in Bitterfeld eingetroffen.

13.03.11 - ........   B.W.Dessau
16.09.11 - 23.09.11   WAa Halle   (4 Bügelabnehmer aufgebaut)
24.09.11 - ........   B.W.Dessau
14.10.11 - 16.10.11   WAa Halle   (4 Bügelabnehmer abgebaut)

06.06.12 - 14.08.12   WAa Halle Reparatur
...

Verblüffend. Obwohl alle Versuchsellok in der BW Bitterfeld stationiert waren, nennt die BBA die ES 2 bis 1914 als in Dessau beheimatet. Gleiches gilt auch für die BBA der ES 1. Zur weiteren Meinungsbildung über den Wert der BBA sei die Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen Nr. 60 vom 7. August 1912 zitiert: "Die 2-B-1 Lokomotive E.S.2 der AEG ... stand vom 12. März 1911 in Betrieb und wurde nach einer Laufleistung von rund 10 000 Lokomotivkilometer und 1,5 Millionen Tonnenkilometer am 19. Juli 1911 auf die Weltausstellung nach Turin gesandt. Von dort ist sie nach einem zur Reinigung und Prüfung dienenden Zwischenaufenthalt in der Berliner Fabrik Ende Januar 1912 nach Bitterfeld zurückgekehrt ...". Wußte der Verfasser der BBA nichts von der Ausstellung in Turin, weil er in dieser Zeit gleich noch den Stromabnehmertausch vermerkt?

...
29.03.14 - 09.07.14 | B.W.Leipzig Haupt-Bhf. I (West)
08.02.14|- ........ | WA a Halle ausserordentliche Reparatur
14.04.14|- 21.07.14 | WAa Halle Haupt-Untersuchung
........ - ........   zur Baltischen Ausstellung in Malmö
...

Erstaunlich, daß eine Ellok in einer Betriebswerkstätte beheimatet wurde, die noch nicht an das elektrifizierte Netz angeschlossen war. Der elektrische Betrieb bis in den in Bau befindlichen Leipziger Hbf wurde vor Ausbruch des ersten Weltkrieges nicht mehr offiziell aufgenommen. Lediglich das Teilstück zwischen Delitzsch Berliner Bf und Neuwiederitzsch wurde unter Spannung gesetzt und ggf. befahren. Parallel dazu befand sich die ES 2 längere Zeit in der Werkstatt Halle. Will der Verfasser auf die zeitliche Überschneidung mittels der senkrechten Striche hinweisen?

Nebenbei bemerkt, die Werkstatt Halle war weder 1911 noch 1914 für die Instandhaltung elektrischer Lokomotiven hergerichtet. Zuständig waren die Bw Bitterfeld und in besonderen Fällen die Herstellerfirmen. Die Hw Halle konnte erst ab Anfang 1920 elektrische Lokomotiven instandsetzen (Regierungsbaurat Janisch: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Halle (Saale). In Wechmann: Der elektrische Zugbetrieb der Deutschen Reichsbahn. Rom-Verlag Berlin, 1924).

...
06.05.21 - ........   Bw Halle (S) I
01.09.22 - 10.11.22   WAa/b Halle H.U.

Der Bf Halle sowie die dort vorhandenen Haupt- und Betriebswerkstätten waren bis Mai 1922 noch nicht an das elektrisch betriebene Netz angeschlossen. Im genannten Zeitraum befand sich die ES 2 nachweislich in Schlesien (wsl. in Nieder Salzbrunn für Vorspanndienste). Ab Mitte Juli war die Lok in der Hw Lauban abgestellt, hatte aber bis dahin Laufleistungen erbracht (z.B. Juni 1922 mit 3382 km, davon 1721 km im Schiebedienst und 1375 km für Leerfahrten). Sie wurde aktenkundig erst am 21.12.1922 nach Halle überstellt. Davon berichten übereinstimmend die Quartalsberichte IV/1922 der RBDen Breslau und Halle (BArch, R5/15942 und R5/16064).

16.02.23 - 24.02.23   EAW Halle
25.03.23 - ........   Bw Halle I
13.06.23 - 15.09.23   Bw Leipzig Hbf.West
20.09.23 - 03.10.23   EAW Halle
04.10.23 - 05.05.24   Bw Basel DRB
...

Möglicherweise war die ES 2 noch kurz zu einem Werkstättenaufenthalt in Halle, bevor sie im Februar 1923 zur Maschineninspektion München abgegeben wurde. Die Ellok war bis Mai 1923 in Freilassing, kam dann vorübergehend wieder zur RBD Halle und wurde am 03.08.1923 nach Basel abgegeben (BArch R5/16064, R5/16066). Die Bezeichnung Eisenbahn-Ausbesserungswerk (EAW) wurde erst 1924 eingeführt. So nennen sich in den damaligen Berichten, die von Anfang der 1920er Jahre vorliegen, die entsprechenden Einrichtungen sowohl in Halle und als auch in Lauban Hauptwerkstatt (Hw).


ES 13

Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive ES 13:
################################################

elektr.Teil und    Maffei-Schwartzkopff ..../41
mechan.Teil        J.A.Maffei München   ..../5074
Es ist kein Baujahr eingtragen.

Anlieferung:       ..........
Abnahme:           12.04.1920   WA Lauban
Probefahrt:        10.04.1920   Lauban - Ruhbank und zurück
Gen-Urkunde:       15.04.1920   ED Breslau auf Breslau 13

ES 13 wurde erst mit Erlaß VI a D 10136.II.Ang. vom 24. Juli 1920 zusammen mit den gleichfalls abgestellten Schwestern ES 14 und 15 von Leipzig nach Lauban beordert. Zu diesem Zeitpunkt stand zumindest der Abschnitt Hirschberg—Ruhbank unter Spannung. Immerhin bestand ab Ende Juni 1920 Bedarf an elektrischen Personenzuglokomotiven, denn nun konnte zwischen Dittersbach und Hirschberg durchgänigig elektrisch gefahren werden und es ergaben sich betrieblich sinnvolle Lokwechsel.

...
17.03.22 - 14.04.22   WA a/b Halle Z.Unt.
...
15.08.22 - 07.11.22   Bw Leizig Hpt.Bhf. West I
...

Laut Betriebsbericht Ezb Breslau IV/22 wurde die Lok erst am 31.01.1923 zu Rbd Halle zurückgegeben.


EP 202 (E30 02)

Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive EP 202:
################################################

elektr.Teil:       Maffei-Schwartzkopff 1914/48
mechan.Teil:       Schwartzkopff Wildau 1914/5218

Anlieferung:       17.02.1914
Abnahme:           23.03.1914  WAa Halle a.d.S.
Probefahrt:        19.02.14    Bitterfeld-Dessau  Leerfahrt
                   20.03.14    Bitterfeld-Dessau  Lastfahrt
Gen-Urkunde:       nicht mehr im Buch zu finden
Buch ausgestellt auf Breslau 202, geändert später auf Halle 202.

Der in der BBA genannte Anlieferungstermin sowie Abnahme und Probefahrt sind Unsinn. Die Ellok wurde nicht vor Ende 1915 angeliefert und ging laut preußischem Ellokverzeichnis 1916 in Betrieb. Für eine Probefahrt kommen nur die Strecken Nieder Salzbrunn—Halbstadt und für das Jahr 1916 auch Freiburg—Nieder Salzbrunn—Dittersbach—Gottesberg in Betracht.

...
02.07.21 - ........   Bw Nieder Salzbrunn
16.04.22 - 05.05.22   WA Lauban  Z.U.

16.06.22 - 30.06.22   WA Lauban
01.07.22 - 15.10.22   Bw Niedersalzbrunn
16.10.22 - 04.01.23   WA Lauban vorzeitige H.U.
05.01.23 - ........   Bw Königszelt
...

RVM, Besprechung vom 16.12.1922: Der Betriebswerkstätte Hirschberg sind alle Personenzuglokomotiven zugeteilt, ... (BArch R5/15942). Das schließt aber nicht aus, daß eine einzelne Ellok wie die o.g. ES 2 in Nieder Salzbrunn Schiebedienste verrichtete (Abschnitt Freiburg—Dittersbach). Der Verfasser der BBA, der die EP 202 bis 205 im genannten Zeitrum in Königszelt, Freiburg (Schl) und Nieder Salzbrunn weiß, wird sich da wohl irren. Außerdem wurde nach der Aufnahme des elektrischen Zugbetriebes bis Lauban eine hohe Ausnutzung der 1-C-1 EP- und ES-Lokomotiven auf der Hauptstrecke angestrebt, was aufgrund der erforderlichen täglichen "Durchsichten" einen aktenkundigen Lokwechsel und den Anlauf der Bw Hirschberg erforderte. Zu den Bw Königszelt und Freiburg (Schl) siehe nachstehende Anmerkungen unter EG 511 und EG 524.


EG 511 (E71 11)

Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive EG 511:
################################################

elektr.Teil und    AEG Berlin und Hennigsdorf b.Berlin
mechan.Teil        1914/1575

Anlieferung:       ..........
Abnahme:           23.08.1919!  WA Lauban
Probefahrt:        23.08.1919   Lauban-Ruhbank und zurück
Gen-Urkunde:       27.08.1919   ED Breslau auf Breslau 511
Buch ausgestellt auf Nummer EG 511 Breslau. Ohne Änderung!

Der Abnahmetermin liegt deutlich nach dem der Anlieferung im März 1914. Mußte die Ellok tatsächlich fünf Jahre auf eine Abnahme durch die Bahnverwaltung warten? Bezüglich der Probefahrt staunt der Fachmann und es wundert sich der Laie: Eine solche bedeutende Fahrt auf einer spannungslosen Strecke ist für eine Ellok wahrlich eine Meisterleistung!

Preußisches Buch als Anlagenteil:
24.08.19 - 06.07.20   Bw Königszelt
15.07.20 - 21.08.20   WA Lauban Z.A.
22.08.20 - ........   Bw Königszelt
07.01.21 - 14.01.21   WA Lauban
15.01.21 - ........   Bw Königszelt
17.07.21 - 08.09.21   WA Lauban Ausbesserung
09.09.21 - ........   Bw Königszelt
14.03.22 - 07.05.22   EAW Halle F2 F3
08.05.22 - 17.09.22   Bw Halle I
...

Nach übereinstimmenden Quartalsberichten der ED'en Breslau und Halle war die Ellok bis September 1922 bei der ED Breslau (BArch, R5/15942 und R5/16063). Außerdem ist es mehr als zweifelhaft, daß die EG 511 in der Bw Königszelt stationiert war. Zitat des Betriebsberichtes II. Quartal 1924: „Im Güterzugverkehr wird eine wesentliche Verbesserung der gefahrenen Zugkilometer erst dann möglich sein, wenn wir die Bw Königszelt und Schlauroth mit elektrischen Lokomotiven versehen können ...“ (BArch R5/21943).

...
23.07.23 - 08.05.24   Bw Freilassing
17.05.24 - 11.07.24   EAW München-Freimann Zwischen-Untersuchung
11.05.24 - ........   Bw Freilassing
16.01.25 - 30.01.25   Bw Freilassing
...

Die Rbd Halle nennt in den entsprechenden Jahresberichten über die Entwicklung und die Betriebsergebnisse der elektrischen Zugförderungsanlage im mitteldeutschen Braunkohlengebiet von Oktober 1923 bis Oktober 1924 konstant 27 Stk. elektrische Güterzuglokomotiven (BArch, R5/15943 und R5/16064, R5/16065). Es ist deshalb nicht nur angesichts des Ellokmangels bei der RBD Halle anzuzweifeln, daß sich nach der aktenkundigen Rückgabe der beiden letzten nach Bayern verliehenen preuß. Ellok der Bauart B+B sich die EG 511 noch in Freilassing befand. Wie 1924 eine Zwischenuntersuchung in Freimann erfolgt sein soll, ist mehr als fraglich. Das Gelände wurde erst 1925 von der Reichsbahn erworben.

...
15.04.27 - 08.04.30   Bw Leipzig-Wahren

Da war sie eben nicht mehr in Wahren, sondern bereits beim Bw Bitterfeld. Stationierungübersicht Ellok in Mitteldeutschland vom 1.11.1928.

09.04.30 - 13.07.30   Bw Bitterfeld
14.07.30 - 21.01.31   Fa.AEG Berlin E4 F4 Haupt-Ausbesserung
                      (Haupttrafo erneuert)
22.01.31 - 16.09.32   Bw Bitterfeld
...

Warum nach Ablauf jeglicher Gewährleistung eine F4 im Herstellerwerk erfolgt, bleibt schleierhaft. Außerdem befand sich die E71 11 vom 12.8. bis 3.9.30 leihweise bei der Rbd Magdeburg, deren E71 30 sich zur E3 im RAW Dessau befand. Die E71 11 verließ im Juni 1931 Mitteldeutschland gemeinsam mit E71 13 in Richtung Basel (Meldung MA Wittenberg an MA Leipzig 2 vom 11. Juni 1931). Der Verfasser der BBA irrt jedenfalls gewaltig, wenn er noch bis 1942 Beheimatungen in Bitterfeld, Wahren oder gar Dessau auflistet. Halle hatte Ende 1940 noch drei E71 im Bestand (E71 18, 30, 34). Die Rbd Hannover verfügte bereits seit Ende 1935 über keine einzige E71 mehr. Die Ellok wurde 1943 in Basel ausgemustert und hinterstellt (Schreiben 22 M 22 Fuvl an das RZA vom 24. Februar 1943).


EG 512

Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive EG 512:
################################################

elektr.Teil und    AEG Berlin und Hennigsdorf b.Berlin
mechan.Teil        1914/1576

Anlieferung:       ..........
Abnahme:           20.07.1919!  WA Lauban
Probefahrt:        19.07.1919   Lauban-Ruhbank und zurück
Gen-Urkunde:       06.07.1919   ED Breslau auf Breslau 512

Nur preußisches Buch: Offenbar keine Umzeichnung in E71 12.

Der Abnahmetermin liegt deutlich nach dem der Anlieferung im März 1914. Mußte die Ellok tatsächlich fünf Jahre auf eine Abnahme durch die Bahnverwaltung warten? Bezüglich der Probefahrt gilt das gleiche, wie bei EG 511: Abnahmefahrt auf einer spannungslosen Strecke mit einer Ellok!

20.07.19 - 04.08.19   Bw Königszelt
05.08.19 - 22.10.19   Bw Halbstadt
23.10.19 - ........   Bw Königszelt
...

Zum Thema Bw Königszelt wurde bereits unter EG 511 etwas geschrieben. Die Stationierung im Bw Halbstadt ist jedoch mehr als erstaunlich. Das Bw Halbstadt lag bereits in Böhmen und seit 1918 in der neu gegründeten Tschechoslowakei. Achskilometer von deutschen Fahrzeugen wurden penibel abgerechnet. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß wie in Grünthal auch das Gleis zum Lokschuppen elektrifiziert war, aber eine Stationierung einer deutschen Ellok in einem Bw der Tschechoslowakischen Staatsbahn kann angesichts der sich aufbauenden Spannungen zwischen den beiden Staaten grundsätzlich ausgeschlossen werden. Wozu hätte man die Ellok dort einsetzen sollen? Rangieraufgaben verbaten sich bereits aufgrund der genannten Achskilometerabrechnung. Der Zugverkehr von und nach Deutschland wurde durch die Bw Nieder Salzbrunn oder Dittersbach abgedeckt. Stationierungen elektrischer Fahrzeuge in Halbstadt sind nur für die Zeit von 1939 bis 1945 verbürgt.

...
07.04.22 - 15.04.22   WA a/b Halle a.S. Z.A.
16.04.22 - ........   Bw Halle I
...
04.05.23 - 18.05.23   EAW München-Freimann E2
19.05.23 - 01.01.24   Bw Freilassing
...

Nach Aktenlage stand die EG 512 wegen eines Schadens im September 1922 in Lauban und sollte nach Beseitigung dessen nach Halle abgegeben werden. Sie kann deshalb im April 1922 nicht in Halle gewesen sein. Ob man die defekte Lok ggf. nach München zur Reparatur gegeben hat, geht aus den Akten nicht hervor. Angesichts der Werkstättensituation in Bayern kann eine Reparatur in München ausgeschlossen werden. In der Statistik der Direktion Halle taucht die Lok im Oktober 1923 auf, da dort im Gegensatz zum Quartal davor 27 statt 26 B+B EG genannt werden. Freilassing scheidet damit ab diesem Zeitpunkt ebenfalls als Stationierungs-Bw aus. Ach übrigens: Freimann wurde erst im Oktober 1927 eröffnet.

...
14.03.24 - 10.04.24   EAW München-Freimann E0 F2
11.04.24 - 10.05.24   Bw Freilassing
...

Nach Quartalsbericht I/24 der Rbd Halle hatte die EG 512 am 17.3.1924 auf der Drehscheibe in Wahren einen Unfall, weshalb sie in die Hauptwerkstatt überwiesen wurde. Ob dieser Unfall gar Grund ihrer späteren Ausmusterung war, ist bisher nicht bekannt, aber sehr wahrscheinlich.


EG 524 (E71 24)

Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive E71 24:
################################################

elektr.Teil und    AEG Berlin und Hennigsdorf b.Berlin
mechan.Teil        1921/1588

Anlieferung:       18.11.1921
Abnahme:           24.11.1921   WA Lauban
Probefahrt:        24.11.1921   Lauban - Ruhbank und zurück
Gen-Urkunde:       30.11.1921   ED Breslau auf Breslau 524
...

Angenommen, die EG 524 wurde tatsächlich nach Schlesien geliefert und dort auch in Betrieb genommen, dann wäre die Probefahrt zumindest auf dem Abschnitt Hirschberg—Ruhbank möglich gewesen. Aber wie alle anderen EG 517 ff wurde auch die EG 524 direkt an die ED Halle geliefert und der Abschnitt Hirschberg—Lauban wurde auch erst im Februar 1922 erstmalig unter Spannung gesetzt.

...
02.08.22 - 15.09.23   Bw Freiburg (Schl)
16.09.23 - 19.09.23   Bw Königszelt Zw.Ausb.
19.09.23 - ........   Bw Schlauroth
...

Achtung! Unbekannte elektr. Betriebswerkstatt: Freiburg (Schl), seit 1853 kein Endbahnhof mehr, hatte zum oben genannten Zeitraum keine Bw. Die Schlesische Zeitung vom 4. November 1916 schreibt: "Da Freiburg ein gewönlicher Streckenbahnhof ist, ist dieser Punkt für den Beginn der neuen Betriebsart ungünstig; ...". Weder der Güterbahnhof und damit auch nicht der ehemalige Lokschuppen der ehem. Breslau-Freiburger Eisenbahn waren nach historischen Fotos mit einer Oberleitung ausgerüstet. Die Aufgabe der Bw übte Nieder Salzbrunn aus, bereits seit 1877 Abzweigbahnhof.

Von 1914 an waren in Nieder Salzbrunn alle Ellok und E-Triebwagen beheimatet, bis diese Funktion die für elektrische Fahrzeuge neu eingerichteten Betriebswerkstätten Dittersbach (ab 1918) und Hirschberg (ab 1920) übernahmen. Oder liegt eine Verwechslung mit dem Bw Breslau Freiburger Bf vor, wo Ellok erst ab 1928 beheimatet wurden? Die Stationierung in Schlauroth ergibt angesichts der Tatsache, daß dort erst im März 1924 der elektrische Betrieb aufgenommen wurde, wenig Sinn. Weiterhin gilt bezüglich Beheimatung von Ellok in Schlauroth das Gleiche wie für Königszelt, siehe Zitat unter EG 511. Übrigens befand sich die EG 524 im Februar 1923 laut Bericht II.25.Nr.II 2629/23.Tm 22. vom 30.4.1923 aktenkundig zur Ausbesserung in der Hw Halle (BArch, R5/16063).

...
02.10.33 - 08.03.34   Bw Leipzig-Wahren
09.03.34 - ........   abgestellt
15.10.34 - 06.12.34   Raw Dessau  Umbau in Vorheizanlage

Ab 6.12.34 Anlage 700.268 in Leipzig Hauptbahnhof.

Nichts weiter im Buch. Keine Betriebsbögen vorhanden.

Die mitteldeutschen E71 waren seit ca. 1931 bis zur Eröffnung Halle—Köthen—Magdeburg im Oktober 1934 abgestellt. Ab dann bestand wieder ein höherer Bedarf an Ellok, so daß keine Lokomotiven aus dem Betrieb zum Vorheizen der Züge zur Verfüung standen. E71 24 wurde als Lokomotive eines Fahrmotors beraubt (Ersatz für eine andere E71.1) und schaltungsseitig so umgebaut, daß sie mit geringen Aufwand jederzeit wieder in eine normale Betriebsmaschine zurück gebaut werden konnte. Am 11.12.1934 teilt das RAW Dessau der Werkstätten-direktion RBD Dresden mit, daß mit der Fertigstellung der Umbauten am 22.12.1934 zu rechnen ist. Der Umbau in eine reine Vorheizanlage mit Nummer 700.268 erfolgte tatsächlich, aber erst im November 1939 (BArch R5/21661).

EG 708 (E77 58)

Abschrift Lemberg 20.08.1996
Betriebsbuchauszug der Elektrolokomotive E77 58:
################################################

mechan.Teil:    Schwartzkopff Berlin 1925/8231
elektr.Teil:    MSW-Werke Berlin     1925/142

Anlieferung:       14.03.1925
Abnahme:           16.04.1925   EAW Halle a.S.
Probefahrt:        13.04.1925   Halle-Leipzig u.z.
Beginn d.Gewährl.: 18.04.1925
Gen-Urkunde:       12.05.1925   Halle (Saale)

Buchdeckel: EG 708 Halle  Reichsbahndriektion Halle

18.04.25 - ........   Bw Leipzig-West
...

Soweit so gut, kein unmittelbarer Widerspruch bzgl. Aktenlage. Der Betriebsbericht für das 1. Quartal vom 15.5.1925 schreibt, daß von der ersten Lieferserie die EG 705 noch nicht in den Probebetrieb genommen werden konnte. Auffällig ist jedoch, daß der Triebwerksumbau in Wildau, der bei allen Ellok dieser Reihe in den Jahren 1926 bis Mitte 1928 erfolgte, in der Abschrift nicht dokumentiert ist. Unter Bauartänderungen finden sich nur so bedeutende, dem Autor offensichtlich wichtige Arbeiten wie Polsterung der Führersitze, Anbau Hoheitszeichen und Verdunklungsvorhänge sowie Abziehbild und Beschilderung, kein Wort über den Umbau des Fahrwerks.

...
09.10.27 - 15.02.28   abgestellt
16.02.28 - 04.04.28   Raw Dessau  F 3 Z.U.
...

Angesichts des Ellokmangels und dem aktenkundigen Bemühen, reparaturbedürftige Maschinen schnell wieder in Betrieb zu bringen, eine sehr interessante Auflistung. Nachdem die Ellok bereits 4 Monate abgestellt war, kommt sie in ein Raw, das sich im Bau befindet. Für den Jahreswechsel 1928/29 sind ähnliche Zeiträume vermerkt. Der Verfasser hat offensichtlich nicht berücksichtigt, daß das Raw Dessau erst am 2. Dezember 1929 eingeweiht wurde. Vielleicht war die Ellok zum angegebenen Zeitraum ja zum Fahrwerkumbau in Wildau?

...
03.11.39 - ........   Bw Leipzig-Wahren
15.03.40 - 24.04.40   Raw Dessau  E 2
...

Die Ellok befand sich seit 27.12.1939 tatsächlich in Dessau, aber zur E 3. Aktenkundig wurden die Arbeiten aber bereits drei Tage vorher abgeschlossen.


Fazit

Der Verfasser der Betriebsbuchabschriften (BBA) der hier aufgelisteten Ellok muß sich den Vorwurf mangelnder Sorgfalt oder der Vermischung von Fiktion und Fakten gefallen lassen. Welche Gründe er für die Anfertigung der BBA hatte, sei dahingestellt. Ob nun ein mit Halbwahrheiten garniertes Fantasieprodukt, schlampig abgeschrieben oder auf bereits falsche Unterlagen hereingefallen: Die BBA der hier gelisteten Ellok sind historisch falsch und somit wertlos.


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© Thomas Scherrans, 10.08.2014 (EG 708 am 10.03.2015, EG 512 am 20.08.2015 eingefügt), 28.10.2018 aktuelle Erkenntnisse EG 511 eingefügt